Ausbildung und Einsatz

Eine TS-Abteilung an ihrem Schwimmenden Stützpunkt 1962

Die Ausbildung der Besatzungen war der dreijährigen Dienstzeit der Mannschaftsdienstgrade angepasst. 

Die zur planmäßigen Entlassung vorgesehenen Matrosen befanden sich alle in einer Abteilung und wurden durch Neueinstellungen ersetzt.  Diese durchliefen in der Regel eine zweijährige Ausbildung an Bord der gleichen Abteilung. Im dritten Jahr erfolgte dann der eigentliche Einsatz dieser  Abteilung. Da die TS-Brigade aus 3 Abteilungen bestand, war gewährleistet, dass sich immer eine Abteilung im 1.,2. und 3. Ausbildungsjahr befand.   

Bevor die "Neuankömmlinge" an Bord versetzt wurden, erhielten sie an der Flottenschule Parow eine ca. sechswöchige militärische und ihrer Laufbahn entsprechende Fachausbildung. Nach der Versetzung an Bord wurden die Matrosen zuerst mit der DAB (Dienstvorschrift für den Dienst an Bord) vertraut gemacht. Im ersten Ausbildungsjahr wurden einfache Gefechtsaufgaben geübt. Dazu gehörte u.a. das Abfeuern von nicht geregelten Torpedos mit Übungsköpfen (tote Männer), das Fahren von Torpedoangriffen im Gruppenverband, das Seeschießen auf Überwasserziele und das Setzen von Nebelwänden. Zum Ende des ersten Ausbildungsjahres war bei besonders guter Leistung eine Beförderung zum Obermatrosen möglich. Im zweiten Ausbildungsjahr wurden hauptsächlich Torpedoangriffe im Abteilungsverband, das Luftsackschießen, das Fahren mit angelegter Schutzausrüstung nach einem simulierten nuklearen Angriff sowie das Zusammenwirken mit anderen Einheiten erlernt. Dabei kam es darauf an, dass die Matrosen ihre Gefechtsstationen perfekt beherrschten. Bei der Gelegenheit soll noch erwähnt werden, dass der Dienst auf den Schiffen und Booten der Volksmarine  in 5 Gefechtsabschnitte unterteilt war. Signal und Schiffszimmerei, Torpedo, Artillerie und Sperr, Funk und Funkmess, Maschine mot. und Maschine E. Bereits bei den Musterungen der Neueinstellungen konnten sich die Wehrpflichtigen, entsprechend ihrer Eignung und ihren Interessen für eine dieser Fachausbildung entscheiden. 

Im zweiten Ausbildungsjahr war laut Laufbahnbestimmungen die Beförderung der meisten Matrosen zum Obermatrosen vorgesehen. Nach Abschluss des zweiten Ausbildungsjahres waren die Besatzungen ausgebildet und konnten nun voll eingesetzt werden. Im dritten Jahr wurde diese Abteilung zur "Kampfkern-Eins-Einheit der Volksmarine" ernannt und wurde im Frühjahr zum Stützpunkt Prerow verlegt. Von hier aus führte diese Einheit umfangreiche taktische Aufgaben durch. Die entsprechenden Einsatzbefehle wurden direkt vom OP-Dienst der 6. Flottille gegeben. Dieser handelte nach eigenem Ermessen und auf Befehl des Oberkommandos des Warschauer Vertrages. Hier liefen alle Informationen über die Lage im Ostseeraum vor den Küsten der DDR zusammen. Diese Informationen lieferten hauptsächlich Küstenbeobachtungsstationen und Vorposteneinheiten der Volksmarine und der Grenzbrigade Küste. Die Einsätze der TS-Abteilung beinhalteten überwiegend die Aufklärung fremder Schiffeinheiten, die sich in unmittelbarer Nähe der Hoheitsgewässer der DDR aufhielten. Das Diensthabendensystem war so organisiert, dass jede der 3 Gruppen (1 Gruppe = 3 Boote) umläufig jeweils 1 Woche 30-Minuten-Bereitschaft, 1 Woche 60-Minuten-Bereitschaft und eine Woche frei hatte. In der Freiwoche wurden zahlreiche Navigationsbelehrungsfahrten im gesamten Ostseeraum durchgeführt. Die Besatzungen dieser Boote erhielten normalen Landgang und Urlaub. Die Besatzungsstärke der Boote wurde so gewählt, dass immer eine kleine Anzahl von Besatzungsmitglieder ihren geplanten Jahresurlaub nehmen konnten. Bei der 60-Minuten-Bereitschaft mussten die Boote bei Anforderung den Hafen innerhalb von 60 Minuten verlassen haben. Die Boote waren seeklar, die Kreisel waren eingeschwungen, die Besatzungen bekamen keinen Landgang, durften aber normal auf dem schwimmenden Stützpunkt schlafen. Wenn keine Einsätze gefahren wurden, lag normaler Dienst an. Bei der 30-Minuten-Bereitschaft mussten die Boote im Alarmfall innerhalb von 30 Minuten den Stützpunkt verlassen haben. Die Boote waren seeklar und voll aufmunitioniert. Sämtliche Funknetze waren geschaltet und die Maschinen waren vorgewärmt. Diese Besatzungen durften nicht an Land, mussten in Dienstbekleidung auf den Wohnschiff schlafen und machten sonst keinen andern Dienst. Die meisten Einsätze wurden gegen 22:00 Uhr angefordert und dauerten fast immer bis in die frühen Morgenstunden. Die Aufgaben dieser Fahrten hatten fast immer den gleichen Charakter. Entweder wurden größere Kriegsschiffe der Bundesmarine und anderer westeuropäischer Staaten aufgeklärt oder man lieferte sich wilde Hetzjagden mit deren Schnellbootseinheiten auf der Ostsee bis in die Lübecker Bucht. Bei diesen Einsätzen ist es auch oft vorgekommen, dass man sogar persönliche Gespräche mit den Besatzungen dieser Einheiten führen konnte, denn bei Begegnungen auf See fühlte man sich in erster Linie als Seeleute, die das gleiche Los gezogen hatten. Nach Beendigung eines Einsatzes und dem Einlaufen in den Stützpunkt wurden die Boote wieder seeklar gemacht und die Besatzungen hatten dann Ruhezeit bis zum nächsten Einsatz. Noch während des Seeklarmachens wurde ein Bericht über den gefahrenen Einsatz verfasst und per Fernschreiben an den OP-Dienst der 6. Flottille abgesetzt. Während dieser Einsätze wurde auch oft das Werfen von Wasserbomben und das Legen von Minen geübt. Es kam auch vor, dass diese Einheiten in der  Seenotrettung und für die Durchführung anderer wichtiger nichtmilitärischer Aufgaben eingesetzt wurden.

Dieser Dienst dauerte für die betreffende TS-Abteilung bis Ende September. Anfang Oktober wurden die Boote und der schwimmende Stützpunkt nach Rostock-Gehlsdorf verlegt. Dort wurden die Boote abgerüstet und auf der dort befindlichen kleinen Werftanlage aufgeschlippt. Die Funk- und Funkmesstechnik wurde zwecks Instandhaltung zum Stützpunkt Dänholm gebracht. Die Boote wurden in den Wintermonaten von den Besatzungen gewartet und mit Werfthilfe instandgesetzt. Ende Oktober wurden alle Soldaten auf Zeit, deren Dienstzeit abgelaufen war, entlassen. Die Mannschaftsdienstgrade  wurden unterdessen im Laufe des Jahres zum Stabsmatrosen befördert. Unteroffiziere  und Offiziere wurden laufend entsprechend den Laufbahnvorschriften befördert.  Die nun unbesetzten Gefechtsstationen wurden mit neuem Personal von der Flottenschule wieder aufgefüllt. Nun begann wieder eine neue Ausbildungsperiode dieser TS-Abteilung. Die anderen beiden TS-Abteilungen rückten nun entsprechend ihrem Ausbildungsstand nach. 

Im Verlauf der Einsatzzeit wurden von den Besatzungen der TS-Boote nicht wenige Ruhmesblätter der Geschichte der Seestreitkräfte der NVA beschrieben. Höhepunkte waren stets der Einsatz während gemeinsamer Manöver oder Übungen der verbündeten sozialistischen Ostseeflotten. So beispielsweise während des größeren Flottenmanövers 1961 in den Territorialgewässern der Volksrepublik Polen. Neben anderen Kampfschiffseinheiten verlegten auch 9 TS-Boote für längere Zeit zum polnischen Flottenstützpunkt Hel, um von hier aus gemeinsam mit sowjetischen und polnischen TS-Booten in einer "internationalen Brigade" zu handeln. Ein wichtiges Kriterium, an dem das Niveau der Gefechtsausbildung zur damaligen  Zeit gemessen wurde, war der  Brigadeangriff mit 27 TS-Booten bei allseitiger Umfassung eines "Gegners". In die Chronik vermerkt wurde gleichfalls der kühne Seenoteinsatz der TS-Boote WILHELM  LEUSCHNER und HEINZ  KAPELLE, die in einer Sturmfahrt bei Wind 9 und See 7 die Besatzung eines Kutters bargen. Weitere Bewährungsproben waren die Teilnahme an den gemeinsamen Flottenübungen "Flut" im Jahre 1963 sowie "Baikal" im Juli 1966.